Der Bundesgerichtshof sprach zwei verbraucherfreundliche Urteile über die Vorfälligkeitsentschädigung
In fast allen Fällen wurde das Eigenheim über einen Kredit finanziert. Wer diesen vor dem Ende seiner Laufzeit kündigen möchte, muss die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen. Abzocke Immobilienkäufer? Viele Käufer sehen eine Ungerechtigkeit bei den Entschädigungszahlungen, die oftmals in den fünfstelligen Bereich wandern. Der Bundesgerichtshof (BGH) fällte nun ein Grundsatzurteil, welches die willkürliche Festlegung der Höhe der Entschädigungszahlung eindämmen soll.
Immer mehr Verbraucherschützer kritisieren zu hohe Entschädigungszahlungen bei Immobilienkrediten und jetzt?
Wer sich für einen Immobilienkredit entscheidet, wird mit dem Kreditinstitut eine langfristige Zinsbindung vereinbaren. Dies deshalb, da der Kreditnehmer den Vorteil genießt, einen nicht variablen Zinssatz für seine Finanzierung zu haben, sodass jegliche finanziellen Belastungen schon im Vorfeld feststehen. Wer etwa seine Immobilie vorzeitig verkaufen und somit den Kredit tilgen will, muss mit einer Vorfälligkeitsentschädigung rechnen, die etwa in § 490 Absatz 2 BGB geregelt ist. Der Gesetzgeber hat jedoch nicht geregelt, wie jene Entschädigungszahlung berechnet wird. Aus diesem Grund spricht man immer wieder von Abzocke Immobilienkäufer, da die Vorschreibungen – von Bank zu Bank – unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Verbraucherschutz hat in einer Überprüfung der Vorschreibungen festgestellt, dass in 30 Prozent aller Fälle eine zu hohe Entschädigungszahlung vorgeschrieben wird. Kein Wunder, dass immer mehr Kreditnehmer die zuständigen Gerichte anrufen.
Sondertilgungen müssen in die Berechnung der Höhe der Entschädigungszahlungen fallen
Derzeit sorgt eine BGH-Entscheidung für Aufsehen. Die Verbraucherzentrale Hamburg rief das Gericht auf Grund des Vertragspassus „zukünftige Sondertilgungsrechte werden bei vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung bei einer Berechnung von Vorfälligkeitszinsen nicht berücksichtigt“ an. Dabei zog man gegen die Sparkasse Aurich-Norden vor Gericht. Viele Verträge sind mit derartigen Klauseln ausgestattet. Sondertilgungsrechte ermöglichen dem Kreditnehmer eine – wie der Name schon sagt – außertourliche Bezahlung während der Laufzeit, welche die monatliche Ratenhöhe übersteigt. Somit endet einerseits die Laufzeit früher, andererseits müssen daher auch weniger Zinsen bezahlt werden. Wird jedoch der Kredit vorzeitig gekündigt, fallen jene Entwicklungen nicht in die Berechnung der Entschädigungszahlung. Der BGH hat mit XI ZR 388/14 jedoch entschiede, dass Sondertilgungsrechte sehr wohl in die Berechnung einfließen müssen! Dabei stützt sich das BGH auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Oldenburg, welches bereits zu Gunsten der Verbraucher entschied, jedoch die Sparkasse in Berufung ging.
Auch bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen sind keine Entschädigungszahlungen zu leisten
Zu Az.: III ZR 83/11 wurde zuletzt auch dahingehend entschieden, dass Kreditnehmer – selbst Jahre nach dem eigentlichen Vertragsabschluss – den Kreditvertrag kündigen können, wenn eine unkorrekte Widerrufsbelehrung vorliege. Klärt die Bank den Kreditnehmer nicht oder nur unzureichend über seine Widerrufsmöglichkeiten auf, kann der Kredit gekündigt werden. Mitunter besteht für den Kreditnehmer auch die Möglichkeit, dass er sogar Zinsen für die Raten verlangt, welche er jahrelang geleistet hat. Belehrungsfehler können formell aber auch inhaltlich auftreten; vor allem Verträge, die zwischen den Jahren 2002 und 2011 geschlossen wurden, weisen häufig fehlerhafte Widerrufsbelehrungen auf. In diesem Fall müssen Kreditnehmer keine Entschädigungszahlungen leisten.
Neu ist hingegen auch die Tatsache, dass keine Vorfälligkeitsentschädigung geleistet werden muss, wenn die Bank den Kredit selbst gekündigt hat. Eine Entscheidung des BGH vom 19. Januar 2016 besagt, dass – bei Kündigung durch den Bank – keine Entschädigungszahlung an den Kunden verrechnet werden darf (Az.: XI ZR 103/15).
Eine kostenlose Kündigung ist nach 10 Jahren und sechs Monaten möglich
Fakt ist, dass ein Kreditvertrag nach zehn Jahren – ohne Kosten – gekündigt werden kann. Auch dann, wenn eine längere Vertragslaufzeit vereinbart wurde. Dies besagt auch das Gesetz in § 489 Absatz 1 Nr. 2 BGB. Entscheidend ist dabei das Datum, also jener Tag, an dem die Kreditsumme zur Gänze ausbezahlt wurde. Zu beachten ist, dass eine sechsmonatige Kündigungsfrist eingehalten werden muss, sodass eine früheste kostenlose Kündigung nach 10 Jahren und 6 Monaten möglich ist.